Suche
Close this search box.

Wieviel Freiheit braucht der Mensch?

Wieviel Freiheit braucht der Mensch?

Schüler der Modellschule Obersberg zeigten Schillers „Don Carlos“

Bad Hersfeld – „Sire, geben Sie Gedankenfreiheit!“ – dieses wohl bekannteste Zitat stand am Ende der Aufführung von „Don will was“ von Schülerinnen und Schülern des Kurses Darstellendes Spiel der Q3 an der Modellschule Obersberg. Gemeinsam mit ihrem Lehrer Klaus Riedel hatten sie in mehreren Monaten Arbeit ihr Stück entwickelt, dessen Basis Schillers Dramenklassiker „Don Carlos“ bildete.

Mauern aus Ikea-Umzugskartons, Papptafeln, Golfbälle und -schläger, Graffitispraydosen und gelben Westen bildeten die wesentlichen Requisiten, die auf der Studiobühne im Audimax zum Einsatz kamen. Als der Marquis von Posa (Nico Otto) aus Flandern an den spanischen Hof zurückkehrt, findet er seinen Jugendfreund, den Kronprinzen Carlos (Jannis Zentgraf) vorrangig mit seinem privaten Kummer beschäftigt: Seine ehemalige Verlobte Elisabeth (Bahar Kayha) hat aus politischen Gründen seinen Vater, den König (Max Hübner) geheiratet. Posa versucht, Carlos davon zu überzeugen, sich aus seiner privaten Nische, in der er sich die Zeit mit Golfspielen vertreibt, herauszubewegen und sich bei seinem Vater dafür einzusetzen, den unterdrückten Bürgern der flandrischen Provinzen mehr Freiheiten zuzugestehen.

In ihrer Umsetzung des Stückes verknüpften die Schülerinnen und Schüler die Schillersche Dramenhandlung und dessen komplexe Sprache mit ihren eigenen Reflexionen zum Thema Freiheit. Was ist Freiheit und was bedeutet sie für jeden Einzelnen? Gibt es Freiheit ohne Sicherheit und wie viel Freiheit verträgt die Sicherheit?

Mithilfe der Dramenhandlung und Elementen wie einem kommentierenden „Chor“ der denen in antiken Dramen ähnelte und einer zweiten Ebene, die moderne „Freiheitsgrade“ auslotete, wurde das Thema vielschichtig ausgeleuchtet. In einem „Video-Tutorial“ wurde demonstriert, wie mithilfe von genügend Zwiebeln und einer emotionalen Skala echte Fake- Tränen erzeugt werden können. Sich dem zu entziehen gestaltete sich angesichts ostentativ betonter Like-Empfehlungen als nicht ganz einfach. Das Publikum wurde zum schönsten Freiheitschor seit 1989 und in der direkten Konfrontation zwischen Don Carlos und dem König verweigerte der Vater dem Sohn die Freiheit nach Brüssel zu gehen und zu kämpfen. Als „Vehikel“ für ihr Streitgespräch nutzten sie den Text von Cat Stevens’ Song „Father and Son“, in dem der Vater dem Sohn mitteilt, dass es nicht die Zeit für einen Wechsel sei – „Das Amt will einen Mann und keinen Jüngling!“. Und zum Ende wurde das Publikum im Freiheitslabyrinth zum Akteur: In den verschiedenen „Freiheitsboxen“ des Labyrinths wurden verschiedene Aspekte des Themas beleuchtet. Unter anderem wurden toxische Männlichkeit,die Konfrontation mit eigenen Vorurteilen zum Thema sexuelle Orientierung, die Inhaftierung von Journalisten in der Türkei und die freiheitswidrigen Bedingungen in der Massentierhaltung thematisiert.

Eine starke Ensembleleistung und eine intensive und facettenreiche Auseinandersetzung mit dem Thema Freiheit, mit dem Politischen und dem Privaten kennzeichneten diesen Theaterabend.

von Ute Janssen

Foto: Ute Janssen

Informationen zum Foto: Don Carlos auf der Studiobühne der MSO: Lea Erdinc, Emily Nettelbeck, Emma Klump, Paul Hodes, Lucas Quanz, Maximilian Zipf, Matthias Nachtmann, Paul Hübner, Fillip Fuchs (hinten von links). Auf den Kissen: Jannis Zentgraf (Don Carlos) und Bahar Kayha (Königin Elisabeth). Nicht im Bild: Nico Otto, der den Marquis Posa verkörperte.

Quelle: Hersfelder Zeitung vom 24.01.2018, S. 4

Nach oben scrollen